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Encyclopaedia Judaica

Juden in Peru

Kriminelle Inquisition der Kirche - Juden auf dem Scheiterhaufen - jüdische Gemeinde ab 1870 - schnelle Assimilation - Gummi-Boom in Iquitos - jüdische Einwanderung seit 1914 und seit 1933

aus: Peru; In: Encyclopaedia Judaica 1971, Band 13

übersetzt und präsentiert von Michael Palomino (2008)

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Kolonialzeit.

[Juden auf dem Scheiterhaufen - Begnadigung im Jahre 1601 stattgegeben]

Wie im kolonialen Mexiko waren Krypto-Juden bedeutend im spanischen Südamerika engagiert (von der Karibik bis zum Rio de la Plata), seit den ersten Tagen des spanischen Gesetzen. Die Juden-Missionen erregten während der Zeit der päpstlichen Inquisition und während der beiden Jahrzehnte, die im Vizekönigreich auf die Einführung der formellen Inquisitionsstrukturen im Jahre 1570 folgte, relativ wenig Aufmerksamkeit

Die Judenmissionen kamen dann in den 1580-er Jahren und in den folgenden Jahrzehnten in grosser Zahl ans Licht, als die Verwaltungen eine konzentrierte Suche nach ihnen betrieben. 10 von ihnen wurden 1595 verurteilt, 14 im Jahre 1600, und 28 im Jahre 1605. Davon wurden total 15 zu Gefängnisstrafen oder zur Bildverbrennung verurteilt.

Die generelle Begnadigung wurde den Judenmissionen im Jahre 1601 gegeben, so dass die Inquisition nachliess und bis 1625 zum völligen Stillstand kam.

[Portugiesische Juden - Welle von Festnahmen und Massenflucht im Jahre 1634 - finanzielle Schwierigkeiten für den peruanischen Staat - Juden auf dem Scheiterhaufen am 23. Jan. 1639 - weitere Judenverfolgung]

Während dieser Zeit kam eine beträchtliche Anzahl portugiesischer Neuchristen, viele davon Judenmissionare, ins Vizekönigreich Peru, im Grossen und Ganzen durch ihre Handelstätigkeiten. Sie kamen schnell zu Reichtum und zu einem hohen Status. Ihre soziale Verdächtigkeit spielte eine starke Rolle, wie dann ihre geheime religiöse Richtung aufgedeckt wurde. Eine Indiskretion eines jüdischmissionarischen Angestellten eines kryptojüdischen Grosshändlers im Jahre 1634 führte zur Festnahme von 64 beschuldigten Judenmissionaren, fast alle portugiesischer Abstammung, und zu einer generellen Panik unter den Neuchristen und sogar unter den Altchristen. Speziell die Gläubiger der Neuchristen waren beunruhigt, denn sie realisierten, dass die Inquisition all ihren Besitz konfiszieren könnte, wenn auch dieser unter Verdacht geriet.

Die Verhaftung und die Flucht vieler Neuchristen brachte nun das Vizekönigreich an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Die Inquisition behandelte die diesbezüglichen Prozesse mit einer unüblichen Schnelligkeit, indem sie allgemeine Arten der Folter anwandte und die Prozesse innerhalb von drei Jahren abschloss. 63 der hinsichtlich der "Grossen Verschwörung" Verdächtigten wurden verurteilt und zu einem spektakulären Sommer-Schauprozess mit Scheiterhaufen (Auto-da-Fé) verurteilt wurden, der am 23. Januar 1939 abgehalten wurde. 12 der Opfer wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt; 11 körperlich, und einer mit dem Bild. Davon waren zwei der berühmtesten Judenmissionare betroffen. Manuel Bautista Perez, der reichste und einflussreichste Händler in Lima, der auch der Führer der Judenmissionare in der Hauptstadt des Vizekönigreichs war, sowie der Arzt Francisco Maldonado de Silva.

Nach diesem Schauprozess mit Scheiterhaufen (Auto-da-Fé) ging die Verfolgung der Judenmissionare durch die Inquisition von Lima drastisch zurück. Einige Fälle, die gegen Judenmissionare hängig waren, wurden sogar fallengelassen, und nur eine Hand voll jener wurde weitergeführt oder neu angerissen, die dann bis zum Scheiterhaufen weitergeführt wurden.

[18. Jahrhundert: Drei ausserordentliche Persönlichkeiten sterben durch die Inquisition]

Die seltenen Fälle von beschuldigten Judenmissionaren im 18. Jh. umfassten drei ausserordentliche Persönlichkeiten.

Die erste Person in den frühen 1720-er Jahren war der Fall von Don Teodoro Candioti, ein Christ der Levante, der für seine unüblichen Praktiken gefangen genommen wurde, obwohl er behauptete, dass seine Praktiken in seinem Land ein normaler Brauch seien. Er starb im Jahre 1726 im Inquisitionsgefängis und wurde in einem der Inquisitionsgräber begraben, aber sein Name wurde (Kol. 322)

wahrscheinlich beseitigt.

Der zweite Fall war die Adlige Dona Ana de Castra, mehr bekannt für ihre Liebesabenteuer als für ihre religiöse Überzeugung. Unter ihren Liebhabern war der Vizekönig selber. Ihre Überzeugung der Häresie und ihr Tod auf dem Scheiterhaufen im Jahre 1736 scheinen eher durch die belästigenden Aktivitäten in der offiziellen Szene motiviert gewesen zu sein als durch ihren religiösen Eifer.

Der dritte Fall betraf den Adligen Don Juan von Loyola und Haro (Don Juan de Loyola y Haro), ein Nachkomme von Ignatius von Loyola. Er wurde wegen des Verdachts der Judenmission inhaftiert, angezeigt durch einen seiner Sklaven. Er wurde inhaftiert, sogar nachdem aufgezeigt worden war, dass der Sklave ein Teil einer Verschwörung gegen ihn war. Er starb im Jahre 1745 im Gefängnis, aber seine Familie hatte vier Jahre lang nichts von seinem Tod. Erst dann - nach einer Auswechslung der Inquisitoren - wurde der Prozess noch einmal aufgerollt und posthum wurde er freigesprochen.

Eine kleine Anzahl Juden, die nicht als Neuchristen klassifiziert werden kann, war zeitweise im spanischen Südamerika aktiv, meistens als Durchreisend oder im Rahmen von Handelsmissionen von West-Indien. Heute anerkennen viele katholische Familien in den Nachfolgeländern, die einst Teil des Vizekönigreich Peru gewesen waren, ihre Abkommenschaft von Neuchristen und sogar von Judenmissionaren der kolonialen Epoche.

[MA.C.]


Zeitgenössische Epoche.

Peru ist eine Republik in Südamerika mit einer Bevölkerung von 12.000.000 (die jüdische Bevölkerung im Jahre 1968 wurde auf 5000 geschätzt). Die Mehrheit der Religiösen sind römisch-katholisch (staatlich "geschützt"), aber die Religionsfreiheit ist durch die Verfassung (von 1933) garantiert.

[1870: Gründung der jüdischen Gemeinde - schnelle Anpassung]

Die moderne jüdische Geschichte in Peru begann um Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Ankunft einiger zentraleuropäischer Händler und Maschinenbauer in Lima. Bis 1870 waren sie zahlreich genug, um eine Gemeinde zu bilden, die Gemeinde für Israel (La Sociedad de Beneficencia Israelita) von 1870, die bis heute existiert. Im Jahre 1875 erwarb die Gemeinde Land für einen jüdischen Friedhof, der bis heute von der Gemeinde betrieben wird. Die meisten der Einwanderer waren Männer, und ihre jüdischen Wurzeln waren schwach. Mischheiraten und darauf folgende Glaubenswechsel hatten zur Folge, dass nicht ein einziger der Nachkommen der Gründer der Gemeinde für Israel von 1870 noch Mitglied der heutigen jüdischen Gemeinde ist. Die letzten Mitglieder der ursprünglichen Gemeinde überlebten gerade so lange, um die Gebetsbücher und die Synagogenschlüssen den zentraleuropäischen, deutsch-sprechenden Juden zu übergeben, die seitdem einen Teil der Mitglieder der Gemeinde ausmachen.

[Ab 1880: Juden in Iquitos - Gummi-Boom - keine Entwicklung nach dem Boom - Anpasser und ihre Kinder - jüdische Wiederbelebung ab der Gründung von Herzl-Israel ab 1948]

Um das Jahr 1880 kamen sephardische Juden - vor allem aus Nordafrika - immer mehr in die Amazonasregion von Peru und richteten dort wahrscheinlich in der Hauptstadt Iquitos eine Gemeinde ein. Der Gummi-Boom machte den Zuzug attraktiv, und die Mehrheit der Gemeinde wurde Händler und sorgte für einen grossen Schub in der wirtschaftlichen Entwicklung der Region.

Im Jahre 1909 wurde die Gemeinde für Israel (Sociedad de Beneficencia Israelita) eingerichtet, mit 38 örtlichen Juden, unter der Führung von Victor Israel. Schwierige Lebensbedingungen und feindliche wirtschaftliche Bedingungen machten aber eine Massenansiedlung unmöglich, und die meisten der Einwanderer waren gezwungen, Iquitos wieder zu verlassen.

Eine grosse Anzahl von ihnen blieb durch Mischheirat - und verloren entsprechend den Titel "Söhne der Hebräer". Unter den Nachkommen sind einige prominente Bürger des peruanischen Urwalds. Ein interessantes Wiederaufleben der jüdischen Identität erfolgte innerhalb der Gruppe in den 1950-er Jahren, das auch durch die Einrichtung des Peruanisch-Israelischen Instituts in Iquitos zur Förderung der kulturellen Beziehungen Ausdruck fand.

[1914-1918 und nach 1918: Juden aus dem Mittleren Osten, Rumänien und Argentinien erreichen Lima]

In der frühen Zeit des Ersten Weltkriegs kamen einige sephardische Juden aus der Türkei und aus Syrien als Händler nach Lima. Die Mehrheit der Einwanderungswelle kam dann aber nach dem Ersten Weltkrieg als Flüchtlinge aus dem vom Krieg geschundenen Türkischen Reich und aus der kleinen rumänischen Grenzstadt Novoselitsa (Noua Sulita). Die verschärften Einreisebestimmungen der USA und die unglücklichen Erfahrungen einiger argentinischer Siedler, und der Baumwoll-Boom an der peruanischen Küste während des Ersten Weltkriegs hatten die ersten Einwanderer nach Peru gelockt.

Briefe an Freunde und Verwandte in den Herkunftsländern machten Peru weiter attraktiv. Die meisten der ersten Einwanderer kamen als mittellose, junge Leute, die in Lima als Händler anfingen und mit Stoffen und Frauenkleidern handelten. Als die Stadt Lima für die Aktivitäten der jüdischen Händler zu klein wurde, machten sie in der Provinz Zweigstellen auf.

[Einige Juden kehren nach Europa zurück]

Nachdem sie einiges Geld zusammengespart hatten, gingen einige der Händler nach Europa zurück, um dort zu heiraten. Einige blieben in Europa und kamen im Holocaust um; andere kamen nach Peru zurück und gründeten eine dauerhafte Existenz.

[Einige Juden in anderen Provinzhauptstädten von Peru]

Während der (Kol. 323)

1930-er und 1940-er Jahre siedelten Juden in den Provinzhauptstädten Perus - in Talara, in Piura, in Trujillo und in Arequipa, aber nur in den letzteren beiden Städten wurden jüdische Gemeinden eingerichtet. In den 1968-er Jahren lebten dort kaum 10 jüdische Familien, aber die Synagogen und die sozialen Zentren existieren noch, und an den hohen Feiertagen wird ein Religionsgericht (minyan) einberufen.

Händler oder spezielle Textilienhändler siedelten als Individualpersonen oder in kleinen Gruppen in der Sierra, in La Oroya, ein Zentrum der Minen, und ein oder zwei Juden dienten in alten, hübschen Kolonialstädten wie Huáncayo, Huancavelica und Ayacucho als Bürgermeister. Als aber deren Kinder grösser wurden, suchten die jüdischen Eltern nach bessern Schuleinrichtungen, und das Wirtschaftswachstum machte es ihnen nun auch möglich, sich in Lima niederzulassen. So lösten sich die meisten der ländlichen, jüdischen Gemeinden auf.

[1933-1943: Jüdische Einwanderung aus NS-Europa - Siedlungsprojekt wird nicht realisiert - Entwicklungen nach 1945]

Die Gemeinde der deutsch-sprechenden Juden, die "1870-er", die kontinuierlich weniger geworden waren, erhielten nach der Machtübernahme Hitlers einen neuen Zustrom von Einwanderern. Obwohl die Einwanderungsgesetze für Peru nie liberal waren, gelang es hunderten von Familien, Einwanderungsvisas und andere Visas zu erhalten. Einige von ihnen gingen zuerst nach Bolivien und kamen erst danach nach Peru. Zwischen 1933 und 1943 wurden von jüdischen Wohlfahrtsorganisationen 536 Einwanderer registriert. Von dieser Anzahl wanderten im Januar 1943 30 wieder aus.

[[Die illegale Einwanderung und die Einwanderung unter anderen Quoten sind nicht erwähnt]].

Wie in anderen lateinamerikanischen Ländern wurden auch in Peru grossangelegte jüdische Siedlungsprojekte geplant. Im Jahr 1930 untersuchte ein Gruppe nichtjüdischer, deutscher Wirtschaftsleute die Möglichkeit von jüdischen Siedlungen in Peru und hatte sogar die Erlaubnis für ein Siedlungsprojekt im Ostteil des Landes erhalten, aber das Programm wurde nie in Angriff genommen und wurde schliesslich aufgegeben.

Die frühesten Einwanderer, die meist Kleiderhändler waren, wurden in der Folge Grosshändler, Importeure und Industrielle. Die jüdische Präsent in allen Bereichen der Textilindustrie ist beträchtlich, und Juden finden sich auch in anderen Handelszweigen und in der Leichtindustrie. (Kol. 324)


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Quellen
Encyclopaedia Judaica 1971: Peru, Band
                            13, Kol. 322
Encyclopaedia Judaica 1971: Peru, Band 13, Kol. 322
Encyclopaedia Judaica 1971: Peru, Band
                            13, Kol. 323-324
Encyclopaedia Judaica 1971: Peru, Band 13, Kol. 323-324


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