Erster Aufenthalt im Februar 2010 ("Sommer")
Mitte Februar 2010 war ich mehrere Tage in Temuco, gemäss
einer Strassenkarte 674 km südlich von Santiago. Temuco ist
heute quasi die Hauptstadt der Mapuche-Ureinwohner, die in
den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. alle dorthin deportiert
wurden, bzw. sie bekamen dort in der Region zwischen Temuco
und dem Pazifik weniger wertvolles Land zugeteilt, weil die
weissen Einwohner alle das wertvolle Land an den vielen Seen
von Süd-Chile erhielten.
Die Ankunft in Temuco mit
dem Reisebus
Die Autobahn war damals absolut gut ausgebaut - es war noch
die Zeit vor dem grossen Erdbeben von 2010. Der nationale
Busterminal von Temuco ("terminal nacional") aber ist sehr
abgelegen in einem Aussenbezirk der Stadt und hat nicht
einmal ein Internetcafé. Schade, da könnte man noch viel
machen, und die wartenden Kunden würden gerne etwas tun,
statt stundenlang herumzusitzen, denn in der Nachbarschaft
des Busterminals war kaum ein Internet zu finden.
Relativ viel Veloverkehr in
Temuco
In Temuco fahren relativ viele Leute Velo bzw. Fahrrad, und
es gibt ausgezeichnete Velogeschäfte (Fahrradgeschäfte) in
Temuco mit allen Ersatzteilen auf europäischem Niveau, inkl.
mit modernen Zahnkränzen etc. Ein Mountain Bike MTB war in
einem Velofachgeschäft in Temuco z.B. für 80.000 Pesos im
Angebot, also für ca. 160 Franken / "US"-Dollar.
Velowege werden auch als Lastenwege für Schubkarren genutzt.
Velofahren auf dem Veloweg gegen die Fahrtrichtung ist in
Temuco normal.
Auch in Chile fehlt das praktische 3-Gang-Velo, und die
Lastenvelos haben keine Gangschaltung. Es ist ein Jammer.
Mototaxis fehlen in Temuco, und das ist sehr angenehm, dass
es keine Mototaxis gibt. Es fehlt auch jeglicher Hupterror,
wiederum sehr angenehm.
Taxis in Temuco
Die Taxifahrer in Temuco sind sehr anständig. Manchmal fehlt
aber ein Taximeter.
Bahnhof ist in Temuco
vorhanden - aber Zugverkehr ist in Temuco kaum vorhanden -
Lokomotivenmuseum von Temuco
Temuco hat einen Bahnhof, der aber schon im Jahre 2010 noch
vor dem Erdbeben kaum genutzt wurde, weil angeblich die
Strecke zwischen Chillán und Temuco unterbrochen war.
Inoffiziell hiess es aber immer, dass der Eisenbahn von
Chile schlichtweg Bahnwagen fehlen, weil man
Occasions-Bahnwagen aus Spanien eingekauft hat, die immer
defekter sind, und so bleiben kaum noch funktionierende
Eisenbahnwagen übrig. Die einzige bediente Eisenbahnstrecke
von Temuco aus war die Bahnstrecke von Temuco nach Victoria,
die ca. 2 mal pro Tag bedient wurde. Das heisst, der
Hauptbahnhof von Temuco wies eigentlich fast den ganzen Tag
über eine absolute Leere auf. Es ist ein Jammer, wirklich!
Aber der chilenischen Regierung ist es egal, wenn das
Bahnsystem nicht gepflegt wird, denn Pinochet hat 20 Jahre
lang das Bahnsystem nicht gepflegt, sondern die
Pinochet-Strategen haben die Autobahnen ausgebaut und ein
Bussystem eingerichtet und die Bahn links liegengelassen.
Nun liegt die Bahn also meistens links, bzw. es gibt kaum
noch Personenzüge in Chile, obwohl ein riesiges Schienennetz
vorhanden ist und viele Güterzüge fahren.
Nun, statt die Eisenbahn zu modernisieren oder eine eigene
Metallwerkstätte mit einer Zugproduktion aufzubauen, stellen
die Verantwortlichen die alten Lokomotiven lieber ins
Lokomotivenmuseum in Temuco und blockieren somit das
Lokomotivdepot. Die alten Lokomotiven in Temuco sind
wirklich sehenswert, und es sind auch Triebwagen aus den
1960er Jahren zu sehen. Aber Chile hat es nie fertiggebracht
- obwohl Chile und Peru praktisch über alle Metalle verfügen
- eine eigene Zugfabrikation aufzubauen. Immer wurden alte
Züge aus Europa importiert, und bei den alten
Dampflokomotiven im Museum handelt es sich vor allem um
"amerikanische" Modelle aus den "USA". Es ist ein Jammer.
Die Regierungen von Chile hielten es nie für notwendig,
eigene Züge zu produzieren. Dabei wäre das doch gar nicht so
schwer - aber die chilenischen Regierungen wollen das nicht.
Chilenische Autos gibt es auch nicht, obwohl die Kompetenz
dazu sicher vorhanden wäre.
Der Markt in Temuco
Im Bahnhofsquartier ("barrio Estación") ist auch der grosse
Markt ("mercado grande"). Die Stadt hat einen riesigen
Markt. Wenn man fragt, dann haben die Leute in Temuco ein
totales Chaos zwischen den Begriffen "feria" und "mercado",
die beide "Markt" bedeuten. Aber die "feria" ist der Markt für
Kunsthandwerk im Zentrum, und der "mercado" ist der grosse
Markt im Bahnhofsquartier für Lebensmittel, Kleider, Taschen
etc.
Die Markthalle von Temuco
mit "Kunsthandwerk" ohne Kunst
In der Markthalle von Temuco im Stadtzentrum umfasst einen
kompletten Häuserblock, in dem aber meistens nur
Kunsthandwerk angeboten wird, das als Kunsthandwerk der
Mapuche verkauft wird. Beim näheren Hinsehen kommt einem
aber der Verdacht, dass das industrielle Ware ist, und zum
Teil ist es überhaupt nicht Mapuche, sondern gewöhnlicher
Schnickschnack. An einem Stand waren sogar Knöpfe mit
Hakenkreuzen drauf zu kaufen, wogegen ich lautstark bei der
Verkäuferin protestierte. Diese sagte, es gäbe Kunden für
diesen Knopf, und Chile sei ein freies Land ("somos un país
libre"). Ich sagte, sicher gebe es Kunden für das
Hakenkreuz, aber es sei Ihre Verantwortung, dieses
Hakenkreuz nicht zu verkaufen, denn dieses Hakenkreuz
bedeute einen absoluten Rassismus, so dass nur die
germanische Rasse existieren dürfe. Nun, die dumme
Verkäuferin war ja auch eine Blondine, die scheinbar von
Geschichte keine Ahnung hatte, und eine Kontrolle scheint
auch nicht stattzufinden...
Es gibt kaum gute
Restaurants in Temuco
Generell gibt es im Zentrum von Temuco kaum Restaurants. Es
scheint, dass die Lebensmittel derart teuer sind, dass es
sich kaum lohnt, ein Restaurant zu führen.
Restaurants zum draussen Sitzen gibt es in Temuco nicht. Die
Restaurants in Temuco haben am Abend nur noch wenig Angebot.
Die Restaurants, die es in Temuco gibt, haben eigentlich
immer nur Schnell-Quark im Angebot, also Schnellgerichte im
Stil von McDonalds. Oder dann waren es Gerichte mit
Matsch-Reis. In Temuco wird der Reis traditionell matschig
gekocht, wirklich eklig. Aber das soll auch in Argentinien
so "Tradition" sein, wurde mir gesagt.
In Temuco ist es sogar so, dass viele Restaurants gar keine
Speisekarte haben. Man muss reingehen und fragen, was
gekocht wird. Die Chilenen und Mapuche wissen scheinbar von
jedem Restaurant, was wer kocht. Touristenfreundlich ist das
ja nicht gerade, vor allem, wenn die Leute nicht viel
Spanisch können.
Das Ketchup hat zum Teil die scharfe Pfefferschote drin
("aji"), und das steht NICHT auf dem Fläschchen. Man sollte
unbedingt zuerst abschmecken, ob das Ketchup auch dem
eigenen Geschmack entspricht, sonst verdirbt man sich
eventuell das ganze Essen und muss ein neues Essen
bestellen, und das ist ja in Chile nicht ganz billig. Die
Restaurants in Temuco sind sauteuer, und dann wollen die
Angestellten auch noch ein Trinkgeld haben. Also, nun weiss
man, wieso es kaum gute Restaurants gibt in Temuco. Die
Restaurantbesitzer pokern mit den Preisen zu hoch.
Südlich von Santiago in Chillán und in Temuco war kein
einziges chinesisches Restaurant anzutreffen ("chifa").
Hotels in Temuco
Die Hotels sind total auf Touristen ausgerichtet und teuer.
Dabei fehlt aber in der "unteren Preisklasse" das Kabel-TV
oder Satellitenfernsehen komplett. Die Gäste in den
günstigen Hotels in Temuco müssen sich mit drei bis vier
Fernsehsendern begnügen.
In einigen Hotels in Temuco sind die Betten sehr kurz
geraten. Wer gross gewachsen ist, wird in einem 1,80m-Bett
seine liebe Mühe haben. Ein Hotel hatte Zimmer, wo es nur
Oberlichter gab, die man aber nicht öffnen konnte. Das
Zimmer hatte dann zwar eine Ventilation, aber na ja.
Fussgängerzone in Temuco
nicht vorhanden - auch Arkaden nicht - aber viel Regen
Temuco hat keine Fussgängerzone. Die Entwicklung der Stadt
hinkt ca. 50 Jahre hinterher. Es ist auch kein eigentliches
Zentrum bezeichnet. Ein zentraler Platz ("Plaza de Armas")
fehlt in Temuco. Es fehlt die "entspannende Mitte" in der
Stadt. Man müsste eigentlich sogar anschreiben, wo das
Zentrum beginnt und wo es aufhört. Das Zentrum ist durch den
Fluss und durch verschiedene Alleen klar begrenzt, aber
schon drei Häuserblocks von den Hauptkreuzungen der
Buslinien entfernt ist die Atmosphäre schon nicht mehr sehr
"zentrumsnah".
Da in Temuco auch Arkaden als "Regenschutz" fehlen, und da
das Klima eigentlich recht viel Regen hat, ist Temuco keine
Stadt mit Gemütlichkeit. Irgendwie merken die Leute in
Temuco gar nicht, wie man die Stadt gemütlicher gestalten
könnte.
Viel Regen in Temuco - und
überschwemmte Strassen
Da es viel regnet, aber die Strassen in Temuco nicht so
"toll" gebaut sind, kommt es oft zu grossen Pfützen oder
regelrechten Seen auf den Strassen. Also, an überschwemmte
Strassenteile muss man sich in Temuco gewöhnen. Die Menschen
nehmen es mit Humor oder gehen bei Regen einfach nicht auf
die Strasse.
Kulturkampf in Temuco
zwischen Mapuche und weiss-technischen Europäern
Die Atmosphäre in Temuco ist durch einen dauernden
Kulturkampf zwischen Mapuche und den Europäern
gekennzeichnet. Dieser Kulturkampf wird offiziell nicht
ausgeglichen, sondern Spanisch dominiert das Strassenbild,
manchmal auch Deutsch, wenn deutsche Namen bei
Firmenschildern auftauchen. Mapuche ist nicht zu sehen. Die
Strassenschilder sind alle in Spanisch angeschrieben, nichts
ist in Mapuche.
Die Mapuche-Buchhandlung im
Reiseführer, die es nicht gab
Im Reiseführer war für Temuco in der Nähe des Bahnhofs eine
Mapuche-Buchhandlung angegeben ("Librería Mapuche"). Ich
suchte diese Buchhandlung etwa eine ganze Stunde lang und
fragte die Leute, aber diese Buchhandlung gab es nicht.
Dafür gab es eine Mapuche-Apotheke...
Kleidung der Menschen in
Temuco
Die Bevölkerung von Temuco ist zum Teil sehr arm und
bescheiden und hat kaum gute Kleider.
Die Landmenschen in Chile haben z.T. Strohhüte auf, die
"chebaya", wie mir die Leute sagten.
Region von Temuco: Chol-Chol
Chol-Chol ist eine reine Mapuche-Ortschaft mit einem
Mapuche-Museum und noch mit vielen Rundhäusern. Die Mapuche
haben eine eigene Schöpfungsgeschichte mit der Legende der
Schlange "Kai Kai Filo".
Zweiter Aufenthalt im April 2011 ("Herbst")
[Erdbebenschäden von 2010:
Manche Häuser sind nicht mehr da]
Also, als ich eine kleine Rundreise von Peru nach
Argentinien und dann über Chile zurück machte, kam ich
wieder in Temuco vorbei. Einige Häuser existierten nicht
mehr, weil sie das Erdbeben von 2010 unbewohnbar gemacht
hatte oder die Ruinen bereits abgeräumt waren. Und ein
günstiges Hotel in einem alten Haus existierte auch nicht
mehr. Das war wirklich sehr, sehr schade.
[Eisenbahnmuseum:
Lokomotivenhalle ist für Besucher gesperrt - aber die
Lokomotiven und Wagen stehen alle in der maroden Halle]
Das Eisenbahnmuseum war wegen Erdbebenschäden gesperrt. Da
waren einige grosse Fenster nicht mehr da, und das Gemäuer
wies grosse Risse auf. Da die Halle des Eisenbahnmuseums
aber nationales Kulturgut ist, muss sie repariert werden.
Das Personal sagte auch, im Jahre 2012 werde die Halle
repariert. Nun war es aber so, dass die alten Lokomotiven
und Eisenbahnwagen da immer noch in der Halle standen, und
das kam mich schon sehr seltsam vor. Wenn die Halle für
Besucher gespert wird, wieso werden die Loks und Wagen denn
nicht woanders untergebracht? Sprich: Die Lokomotiven und
Eisenbahnwagen des Eisenbahnmuseums in Temuco waren dauernd
einer grossen Gefahr ausgesetzt von der maroden Halle unter
sich begraben zu werden, und die Verwaltung des Museums und
die Stadtverwaltung sahen diese grosse Gefahr scheinbar
nicht.
[Bitter kaltes Klima in
Temuco schon im Herbst - speziell dicke Socken]
Und dann kam eine einmalige und sehr wichtige Erfahrung: Das
südliche Chile liegt ab April 2011 in einem Dauernebel.
Sonne kommt kaum noch durch. Und das Klima ist dann bitter
kalt, also wirklich bitter, denn man kann nirgendwohin
gehen, um Sonne zu "tanken", und die Temperaturen waren im
April 2011 am Morgen bei ca. minus 2 Grad, und stiegen am
Tag auf maximal plus 5 Grad.
Auf dem Markt gab es dann speziell dicke Wintersocken zu
kaufen, die es in anderen Ländern Süd-"Amerikas" gar nicht
gibt.
Die Schlussfolgerung war klar: Das Klima im südlichen Chile
ist absolut widerlich.