Nach zweieinhalb Wochen Chile-Aufenthalt im Februar 2010 -
mit Rückkehr nach Peru einen Tag vor dem grossen Erdbeben
vom 27.2.2010 - kam ich nach einigen Gesprächen mit
verschiedenen Vertretern der Bevölkerung zur
Schlussfolgerung, dass es wirklich nicht vom System abhängt,
ob Armut existiert oder nicht, sondern von den Menschen
selbst. Der Wechsel von der Diktatur Pinochets zur
Demokratie hat für die chilenischen Armen keine
nennenswerten Verbesserungen gebracht. Aber lesen Sie
selbst:
REGIERUNGEN VOR PINOCHET UND KOMMUNISTISCHER EINFLUSS
Die Regierung Frey (senior) begann mit dem U-Bahn-Bau.
Die Regierung Allende brachte keine Fertigstellung der
ersten U-Bahn-Linie zustande. Die Regierung war zu korrupt
[1].
SCHLACHTRUFE
Die Linke kämpfte mit grossen Demonstrationen gegen
Pinochet, den sie auch "pinocho" nannten, mit Schlachtrufen
wie:
AHORA SEÑORA TOQUE LA CACEROLA!!
(Jetzt, ihr Hausfrauen, schlägt auf eure Kochtöpfe!!)
EL PUEBLO UNIDO JAMÁS SERÁ VENCIDO!!
(Das vereinte Volk lässt sich nie besiegen!!)
PACOS CULIAOS CAFICHES DEL ESTADO!!
(Verdammte Bullen sind die Zuhälter des Staates!!)
A PURO PAN, A PURO TÉ ASÍ NOS TIENE PINOCHET!!
(Pinochet hält uns bei Brot und Tee!!)
Und da waren noch andere Schlachtrufe, bis jeweils die
Bullen kamen. Dies war der Kampf für die Demokratie [2].
DIE TATEN DER PINOCHET-REGIERUNG
Die Diktatur unter Pinochet wurde 1973-1990 eingerichtet, um
eine Spaltung der Bevölkerung in Rechts und Links
(Kommunismus) zu verhindern. In seiner Regierungszeit liess
Pinochet nicht nur Regierungsgegner umbringen, sondern er
rettete Chile vor einer Regierung Allende, die das
kommunistische Staatsmodell von Kuba kopieren wollte.
Statt abzuwarten, wie sich die Situation in Chile entwickeln
würde, wurde Chile nach dem Staatsstreich Pinochets von der
internationalen Staatengemeinschaft der "Demokratien" sofort
boykottiert.
Bisher war in Chile die gesamte Wirtschaft in Koordination
mit den "USA" aufgebaut worden. Nun musste Chile sich
ökonomisch total umorientieren, u.a. mit der Etablierung von
Handelsbeziehungen mit Asien und China. Statt die Diktatur
zu schwächen, wurde die Diktatur Pinochets durch den Boykott
also gestärkt. Pinochet liess die staatlichen Betriebe alle
verstaatlichen, darunter auch die Metro von Santiago. Aber
der Impuls von Pinochet war es, der es überhaupt erst
ermöglichte, dass die Metro von Santiago fertiggestellt
wurde. Unter der korrupten Allende-Regierung war kein
einziger Kilometer der U-Bahn fertiggestellt worden.
Pinochet konnte dagegen die erste U-Bahn-Linie von Santiago
einweihen [1].
ZIEL DEMOKRATIE
Die Kämpfer für die Demokratie lebten ab 1973 in einer
stetigen Angst um die Familie. Sie lebten in einer Phantasie
für die "Freiheit", mit hohen Anforderungen, mit viel Mystik
wegen der herrschenden Angst.
Nach der Wiedereinrichtung der Demokratie herrscht aber auch
im Jahr 2009 noch Diskriminierung im Land. Es haben noch
lange nicht alle Menschen in Chile dieselben Möglichkeiten
[2].
DIE DEMOKRATIE KOMMT - DIE DIKTATORISCHEN STRUKTUREN BLEIBEN
- DIE ARMUT BLEIBT
Der Diktator wurde beseitigt, aber die diktatorischen
Strukturen wurden nicht beseitigt. Die privatisierten
Grossfirmen sind bis heute (2010) in privater Hand. Die
Machtcliquen wurden nicht zerschlagen. Die machthabenden
Familien teilen ihre Gewinne nicht [3].
Die Linken sind stolz, den Diktator gestürzt zu haben und
gedenken ihres schmerzvollen Kampfes immer wieder [2].
Aber was hat der Sturz von Pinochet für Folgen gehabt? Eher
keine Folgen, denn die etablierten Reichen blieben reich: An
der Verfassung wurde nicht viel geändert:
Die Armut bleibt, denn die Preise werden hochgehalten, v.a.
für Lebensmittel, Strom, Wasser, für Bildung, das staatliche
Schulsystem ist schlecht, nur die teuren Privatschulen haben
gutes Niveau, Bücher sind teuer. Chilenen fahren nach
Argentinien, um dort Bücher billig zu kaufen und in Chile zu
verkaufen. Die "demokratischen" Regierungen nach Pinochet
halten die Preise hoch, um die Bevölkerung besser unter
Kontrolle zu halten [3].
Der Lohn der Armen in Chile
-- die Gehälter sind minimal bei 160.000 Pesos (rund 300
Dollar), das Gehalt eines Kellners, einer Haushalthilfe etc.
-- die Miete für ein kleines Haus für eine Familie liegt
minimal bei 80.000 Pesos, kann aber bis 120.000 Pesos sein,
und dieses Häuschen liegt dann in einem Aussenquartier der
Armen
-- das mittlere Gehalt beträgt 200.000-250.000 Pesos
-- ein Buschauffeur verdient ca. 350.000 Pesos
-- eine Metro-Lokführerin verdient ca. 300.000 Pesos
Männer verdienen mehr als Frauen.
Hohe Gehälter sind die eines Allgemeinarztes (800.000 bis
1.200.000 Pesos, 1600 bis 2400 Dollar), oder eines
spezialisierten Mediziners (2-3 Mio. Pesos, 4-6000 Dollar)
[3].
-- die Mutter hat oft nur für einige wenige Monate
Muttermilch, und oft werden die Babys dann mit Tee ernährt,
was auch Unterentwicklung von Knochen und Gehirnschäden mit
sich bringt [3]
-- heute (2010) hat die Regierung von Chile
Baby-Ernährungsprogramme, und den Müttern wird Milch in
Beuteln abgegeben. Die Mütter verwenden die Milch aber nicht
für die Babys, sondern verkaufen die Milch, und das Baby
bekommt nur Tee [1].
DIE ARMEN ÄNDERN IHRE GEWOHNHEITEN NICHT - TROTZ
EINFAMILIENHAUS
Die Preise sind normale Preise. Die Armen in Chile sind -
wie auch Arme in anderen Staaten - an die Armut gewohnt und
kommen aus dem Teufelskreis der Armut nicht heraus. Die
Armen haben Gewohnheiten von Diebstahl, Drogenkonsum und
Arbeitslosigkeit entwickelt und arbeiten z.T. nicht, obwohl
sie arbeiten könnten - aus Gewohnheit, weil Diebstahl mehr
einbringt als legale Arbeit.
Die Regierung hat grosse Programme gegen die Slum-Bildung,
und ein grosser Teil der Slums von Chile ist durch die
Häuschenbau-Programme verschwunden. So bekommen arme
Familien zu günstigen Kreditbedingungen ein Häuschen, kein
Reihenhaus, sondern alles "eigene vier Wände", mit
Autoabstellplatz bzw. kleinem Garten [1].
Diese "Einfamilienhaus-Kolonien" kann man in jeder grösseren
Stadt Chiles beobachten. Die Giebeldächer wirken wie
Sägezahn-Reihen, die runden Dächer wirken etwas mondähnlich
[5].
Die Häuschenbau-Programme sind aber nicht genug für die
Armen, denn es müssten sich auch die Gewohnheiten ändern.
Die armen Familien bleiben oft bei Massenkonsum, Diebstahl
und Drogen. Deswegen bleibt die Armut oft bestehen, trotz
der Häuschenbau-Programme [1].
DIE EISENBAHN WIRD ERST NACH PINOCHET REDUZIERT
Die Eisenbahn wurde unter Pinochet nicht vernachlässigt,
sondern erst die Regierungen nach Pinochet haben die
Eisenbahn immer mehr abgebaut, Eisenbahnlinien zerstört,
unter den Präsidenten Aylwin, Tagle, Lagos etc. [1]
WINTER IN CHILE: TÖDLICHE KÄLTE - TÖDLICHER SMOG
In Chile ist es auch heute (2010) noch so, dass in jedem
Winter viele Kleinkinder und ältere Menschen an der Kälte
oder am Smog sterben, weil die Erkrankungen der Atemwege
tödlich verlaufen.
In den Bergen leben die Armen in einfachen Holzhäuschen mit
einfachen Holzöfen. Die Häuschen weisen oft nur
Plastikfolien statt Fensterscheiben auf.
In den Bergen fehlt dann oft die medizinische Versorgung,
fehlen Spitäler, fehlt medizinische Betreuung, fehlen
Spezialisten (Radiologen, Chirurgen, Material zum Behandeln
der Lungenkrankheiten, Chinesiologen) [3].
In Chiles Städten in der Zwischenebene des Landes ist es der
Winter-Smog, der die tödlichen Atemkrankheiten provoziert.
Unter diesen Toten sind u.a. viele Alkoholiker oder auch
Menschen, die auf der Strasse leben.
Dabei sind die Autoabgase durch Katalysatoren inzwischen
sehr reduziert, aber die Heizungen laufen bis heute (2010)
ohne grosse Filter, und die Armen heizen auch mit verbotenem
Heizmaterial wie Paraffin oder Holz oder Kohle, ohne jeden
Filter. Die staatlichen Kontrollen der Heizungen sind nicht
lückenlos, und so entsteht in Chiles Städten im Winter
regelmässig ein übler Smog durch filterlose Heizungen.
Dieser Heizungs-Smog in Kombination mit der Winterkälte
provoziert in Chiles Städten im Winter Krankheiten wie
Lungenentzündung, Bronchitis und Humanes Respiratorisches
Synzytial-Virus, mit vielen Todesopfern. Die öffentlichen
Spitäler haben dann zu wenig Personal, es fehlen Ärzte, und
die Kranken müssen im Wartesaal 6 bis 8 Stunden bis zur
Notaufnahme warten. Teilweise sterben die schwerkranken
Wartenden dann im Wartesaal, oder dann im Krankenbett.
Die gefährdeten Personen könnten im Winter in wärmere
Regionen reisen, aber dazu fehlt ihnen das Geld [3].
DIE CHILENISCHE REGIERUNG UND DIE WINTER-TOTEN
Die Presse berichtet von den Todesfällen durch Kälte und
Smog. Aber die Massnahmen der Regierung haben bis heute noch
keine grosse Wirkung. Der Winter-Tod durch Kälte und Smog
ist noch nicht gestoppt.
In Chiles Bergen fehlt die notwendige Architektur gegen die
Kälte. Scheinbar fehlt eine "Berghilfe" und gezielte
Aktionen
-- für eine gute Ernährung in den Bergen
-- für guten Hausbau
-- für moderne Heizungseinrichtungen
-- für genügend Fensterscheiben
-- für genügend Dichtungsmaterial
gegen Lungenkrankheiten im Winter.
Chile mit seinen grossen Apfelkulturen exportiert eine Menge
Äpfel ins Ausland, die scheinbar im Winter der
Bergbevölkerung fehlen [4]
Chile mit seinem kalten Klima braucht unbedingt ein
Filter-Programm für die Heizungen. Ein solches
Filter-Programm für Hausheizungen (Cheminées) wurde in der
Schweiz bei Holzheizungen bereits vor einigen Jahren (2000er
Jahre) realisiert [4].
GEISTIGE ARMUT IN CHILE aus dem Stadtteil "Barrio Alto" aus
Santiago: Alle Zeitungen unter demselben Eigentümer
Die Reichen in Santiago leben im Distrikt "Barrio Alto".
Die grossen Tageszeitungen "El Mercurio", "La Segunda" und
"La última Noticia" gehören alle demselben Besitzer, und
daran angeschlossen sind "La Tercera" und "La Cuarta".
Unter Allende gab es eine Presse von rechts und links. Seit
Pinochet die linke Presse geschlossen hat, gibt es keine
linke Presse mehr. Eine linke Presse neu zu etablieren, wird
von der rechten Presse verhindert, indem dann die rechte
Presse mit Dumpingpreisen angeboten wird und die linke
Presse keine Leser findet.
Pinochet ist gegangen, aber das System nicht. An den
Schaltstellen blieben dieselben Leute: die Reichen vom
"Barrio Alto" aus Santiago (U-Bahn-Station "Dominicos").
Auch die Verfassung wurde seither kaum geändert [3].
MISERABLES JUSTIZ-SYSTEM IN CHILE
-- es werden oft nur geringe Strafen ausgesprochen
-- die Diebe stehlen immer wieder und werden immer gleich
wenig bestraft [1, 3]
-- eine Untersuchungshaftanstalt ("prisión preventiva") kann
einen Jugendlichen seelisch kaputtmachen, so dass er als
"krank" entlassen wird, statt dass er eine Haftstrafe
absitzen muss [1].
Das Justizsystem duldet die Bildungs-Diskriminierung gegen
die Ureinwohner, die kaum je das Geld haben, um in Chile
eine gute Schule zu besuchen. Die Justiz duldet auch den
Landraub an den Mapuche und verfügt bis heute [2010]
keine Landrückgaben. Der Rassismus in Chile hat System, die
Armut wird in Chile somit durch die Justiz unterstützt und
zementiert, und das ist wirklich gegen jedes Menschenrecht
[4].